2.10 Technische Fortschritte verhalfen deutschen Radiofabriken zu weltweiter Anerkennung

Das große Ereignis von 1936 war die Olympiade in Berlin. Hier wollte man der Welt zeigen, was Deutschland zu leisten imstande sei, und der NS-Propaganda-Apparat lief auf vollen Touren. Die erste elektronische Fernsehkamera für Außenaufnahmenkam zum Einsatz. Walter Bruch, damals schon Entwickler, später der große PAL-Erfinder, fing das Geschehen mit seiner „Ikonoskop-Kanone" ein. Fernseh-Empfang war aber nur im Großraum Berlin möglich; weiter ging's noch nicht. Der Hörfunk war das Medium, das die olympischen Nachrichten in alle Welt hinaus trug.

 

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Die Organisatoren bemühten sich auch die Leistungen der nachrichtentechnischen Industrie Deutschlands herauszustellen und sorgten dafür, dass nicht nur Sportereignisse, sondern auch parteipolitisch geprägte Veranstaltungen weltweit verbreitet wurden. Hohes Lob aus vielen Ländern war das Echo. Für den Hörer unterwegs wurde eigens ein neues Gemeinschaftserzeugnis entwickelt: der Olympia-Koffer „DOK".

 

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Schön war er nicht,der „DOK", aber gut. Gebaut hat ihn 1936 die Firma Schaleco.

 

Freude hatte auch der Rundfunkhandel an den Olympischen Spielen. Juli bis September zählten in anderen Jahren nicht eben zuden umsatzstarken Monaten. Im Spätsommer 1936 aber blätterte so mancher in den Katalogen. Noch gab es den Illustrierten Radiokatalog; Handbuch des deutschen Rundfunk größere Bedeutung, jedoch erlangte das Handbuch des deutschen Rundfunk-Handels, herausgegeben im Auftrag der Wirtschaftsstelle deutscher Rundfunk-Großhändler e.V. (WDRG). Es enthielt die Erzeugnisse aller 28 Rundfunkfirmen, wie in Kapitel 2.4 aufgelistet.

 Von AEG bis Wega - alle hatten ihren festen Platz und auch ihr Image. Zuletzt war Philips (1934/35) zu diesem Kreis gestoßen. Nach kurzem Anlauf in Hamburg wurde im neuen Werk Aachen die Produktion aufgenommen.Der Geräteteil des 1936er Katalogs begann mit den Gemeinschaftserzeugnissen.Die darin enthaltenen Volksempfänger (VE 301 W = 76.- RM, VE 301GW = 87.- RM, VE 301 B I I = 65.- RM) waren etwa halb so teuer wie die besseren Marken-Einkreiser, welche man (in Wechsel- oder Allstromausführung) bei den Firmen AEG, Blaupunkt, Brandt, Braun, DeTeWe, Graetz, Körting, Loewe, Lorenz, Lumophon, Mende, N & K, Nora, Owin, Philips, SABA, Sachsenwerk, Schaub, Seibt, Siemens, Staßfurt, Tefag, Telefunken und Wega finden konnte.

 

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Fünfundzwanzig Firmen also fertigten 1936/37 noch Einkreisgeräte - sie waren von den Mehrkreis-Geradeausempfängern und Superhets noch nicht verdrängt worden.1937 sollte auch die Empfangsleistung des Volksempfängers verbessert werden. ,,Der Radio-Händler" kündigte den „Neuen" im August-Heft 1937 wie folgt an: ,,In seiner großen Rede anläßlich der Eröffnung der 14. Großen Deutschen Rundfunkausstellung 1937 hat Reichsminister Dr. Goebbels verkündet, daß demnächst (wahrscheinlich im September) ein neuer verbesserter Volksempfänger auf den Markt gebracht wird". Und so erschien der VE 301 Wn mit der AF 7. Unter den neuen Zweiröhren-Empfängern arbeiteten einige mit Reflexschaltungen und wurden so zu Zweikreisern. Von dieser Bauart  zumeist jedoch mit drei Röhren bestückt standen 1936 noch 24 Fabrikate im Katalog. Dreikreiser dagegen musste man schon mit der Lupe suchen. Den Arbeitsfront-Empfänger DAF 1011 ausgenommen, stellten 1936 nur die Firmen Emud und Telefunken noch Dreikreis-Geradeausempfänger her. An die Stelle des Dreikreisers war der, teils auch nur mit drei, meist aber mit vier Empfängerröhren bestückte Superhet getreten. In Standardausführung hatte er sechs Kreise, mit Eingangsbandfilter sieben. Hochleistungsempfänger erhielten noch eine HF Vorstufe: so bei Blaupunkt der 6 W 86, bei SABA der 442 WLKund bei Staßfurt der Imperial 65 W.

Zu den Herstellern von Spitzengeräten (mit AD 1 in den Endstufen) zählten 1936: AEG mit dem Luxus-Super, Körting mit dem Ultramar 37, Lorenz mit dem Super 395 und Telefunken mit dem Modell T 686 WK.

 

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Das Siemens-Kammermusik-Gerät II Baujahr 1937 kostete 1.482.- RM. 1938 erschien es nochmals als Dreikreiser und 1939 als 11-Röhren-Vorstufensuper.

 

Eine Sonderstellung nahm das Siemens-Kammermusikgerätein. 1936 erschienein solches Luxus-Schrankmodell mit eingebautem Plattenspieler als Zweikreiser, bestückt . Erst 1937 bekam es drei Kreise und A-Röhren, einschl. 2 x AD 1 in der Endstufe (siehe 3.88). Dieses Siemens-Gerät mit höchst erreichbarer Wiedergabequalität zählte zu den letzten Dreikreisern, es war jedoch, wie der DAF 1011, nur für einen besonderen Kundenkreis gedacht. Für den üblichen Kaufinteressent gab es einen Dreikreisempfänger letztmals 1938 von SABA.

 

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 Das ist er, der Ultamar

 

Im Telefunken-Programm überlebte 1938 von den Geradeausempfängern nur noch der Einkreiser. Diese „Kleinen" waren in den weniger bedeutenden Radiowerken, z.B. bei Brandt, DeTeWe, Emud und Wega zu Produktions-Schwerpunkten geworden. Vor Überraschungen ist man aber nie sicher: Der 1937er WDRG-Katalog zum Beispiel enthält doch tatsächlich einen Emud-Vorstufensuper, dieType E 47 W. Sonst nur noch ein Batteriegerät - keinen einzigen kleineren Netzempfänger. 1938 war dann die „Emud-Welt"  wieder in Ordnung: die schlichten Ein- und Zweikreiser waren wieder da, der,,Super-Spuk" verflogen. Auch Graetz, Schaleco und TeKaDe zählten nicht zu den Großen. Und schließlich gab es noch drei Aussteiger. Grassmann - im WDRG-Katalog 1936 noch mit drei Modellen vertreten - machte 1937 Pause. Im Jahrgang 1938 fand man dann den letzten Grassmann-Einkreiser und in der 39er-Ausgabe unter „R.F.W" als Schlusslicht den Zweikreiser Condor in der W- und B-Version. Neufeldt & Kuhnke firmierten ab 1937 neu: Hagenuk war jetzt der Name. ,,Nordmark"-Geräte gab es noch, jedoch ausgestattet mit Chassis von Blaupunkt - 1938 war Schluss. Nicht mit Hagenuk, die baute weiterhin kommerzielle und militärische Geräte. Das Thema „Radio" indes war - von den wenigen bis 1950 gefertigten abgesehen - abgehakt. Owin hatte sich schon 1936 mit einem Konkurs verabschiedet. Die überlebenden Kleineren produzierten bis zum 2. Weltkrieg für den ihrem Lieferprogramm entsprechenden Käuferkreis - eine Gesamt-Übersichtsliste folgt im nächsten Abschnitt.

Vom billigen Einkreiser bis zum teuren Spitzensuper- die Hersteller aus den Jahren 1936 und 1937 hatten für alle Ansprüche das richtige Gerät - der Fachjournalist Herbert Dominik meinte, es sei unsinnig, eine solche Typenvielfalt auf den Markt zu bringen. Und was konnten sie Neues bieten, die unermüdlichen Techniker? Vernehmen wir zuerst die schlechte Nachricht. Die bezieht sich auf Werkstoffe, welche sich als,,nicht alterungsbeständig" erwiesen. Dem reparierenden Sammler sind sie ein Greuel, die gequollenen Drehkos und die zerbröselnden Kegelzahnräder an Wellenschaltern. ,,Zink-Druckguß" heißt das Übel. Auch die gerissenen Polystyrol-Spritzteile von Röhrenfassungen, Wellenschalterteilen und dergleichen bereiten Ärger, und manche HF-Eisenkerne verführen zu Gewaltanwendung. Trösten wir uns mit den guten Nachrichten: 1936 gab es nicht nur für Spitzengeräte die neue Hochleistungs-Endtriode AD 1. Auch an den anspruchsvollen Normalverbraucher wurde gedacht. Die Endpentode AL 4 fand Eingang in sämtliche Geräteklassen. Schon die besseren Einkreiser wurden damit bestückt, und zahlreiche Großsuper. 

Mit der im Jahr 1937 erschienenen AL 5 konnten sich wiederum nur die Hochleistungsgeräte anfreunden. Unverzerrte Wiedergabe, auch bei hoher Lautstärke, war nun mit diesen neuen Endröhren kein Problem mehr. Freudig begrüßt wurde auch die 1937 eingeführte Abstimmanzeigeröhre AM 2. Das noch heute so beliebte ,,Magische Auge" hatten zwei Jahre zuvor die Amerikaner auf den Markt gebracht, und da viel es der deutschen Fachpresse offentsichtlich schwer, diese Neuheit zu würdigen.

Auch dem Bedienungskomfort schenkte man besondere Aufmerksamkeit. Um schneller über die Wellenlängen gleiten zu können, erhielt der Sendereinstellknopfein Schwungrad oder den Schnell-Feintrieb mittels Planetengetriebe. Und man mochte nicht mehr die vielen Einstellknöpfe. Philips war besonders konsequent und konstruierte für die Aachen-Superhets des Modelljahres 1937/38 den „Monoknopf', mit dem der Sender, die Lautstärke und die Tonblende eingestellt werden konnte. Zu den Spitzengeräten zählten sie aber trotz ihrer hohen Qualität nicht, in dieser Klasse erwarteteman Geräte mit HF-Vorstufen und Hochleistungs-Endstufen.

 

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Der Sachsenwerk-Oympia-Super 65 mit der „Kino-Skala" Der Sachsenwerk-Olympia-Super 65 mit der „Kino-Skala" hat keine HF-Vorstufe, aber die AD 1 in der Endstufe.

 

Entsprechende Modelle offerierten 1937:  AEG, die ihren Spitzensuper ,,Der große AEG" nannten. Die andern Fabrikate brachten ihre Geräte mit Typenbezeichnungen in den Katalog: Blaupunkt den Großsuper 7 W 77, Braun den Super 738 W, Körting stellte den Transmare 38 vor, Loewe den Opta 838 W, SABA den 680 WLK, Sachsenwerk den Olympia 381 W, Siemens die Kammermusikschatulle 76 W, Staßfurt den Imperial 98, Wund schließlich Telefunken die Modelle T 7000 bzw. T 7001.

Nicht vergessen werden darf natürlich der Fortschrittlichste von 1937: der mit einer Goldmedaille ausgezeichnete SABA 980 WLK mit automatischem Sendersuchlauf. Indes - die Zeit war noch nicht reif, das System hatte noch Schwächen. Auch Kramolin war 1928 mit seinem Drucktasten super zu früh auf den Markt gekommen, und ähnlich erging es nun SABA. Es sollten noch siebzehn Jahre vergehen, bis die SABA- ,,Automatic" - Geräte ihren Siegeszug antreten konnten. Vom 980 WLK wurde nur eine Serie aufgelegt, als gleichwertiger Groß-superhets ohne Suchlauf blieb der 680 WLK im Lieferprogramm. Mit ihrem 1937er Programm hatte die deutsche Rundfunkindustrie eine Spitzenstellung errungen. Telefunken glänzte mit den Groß-Superhets T 7000 und T 7001, welche zu den besten ihrer Art zählten und mit einem Grand Prix bedacht wurden. Die W-Type hatte schon eine automatische Nachstimmung.

Noch größere Aufmerksamkeit wurde aber dem 745 RM teuren Körting-Transmare 38 zuteil. Der konnte auf der Weltausstellung in Paris sogar mit zwei Grand-Prix glänzen. Dieses Spitzengerät - mit 8+4 Röhren und 8+2 Kreisen, Gegentakt-Endstufe mit zwei AD 1, zwei Lautsprechern, 20 Festsendertasten und automatischer Scharfabstimmung - galt 1937 (was nicht ohne Widerspruch blieb) als das Paradestück der weltbesten Rundfunkindustrie.

 

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