9.6 Akkord, Offenbach, Herxheim und Landau

 

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Warum soll sich eine Firma, welche Kofferradios produzieren will, nicht einen „musikalischen“ Namen zulegen? „Akkord ­Radio“ nannte deshalb die „Gerätebau A. Jäger & Söhne“ ihre 1948 in Offenbach a.M.-Bieber gegründete OHG und stilisierte ihr frühes Firmenlogo in Notenform.

Der erste, 1948 von August Jäger noch mit den Röhren DCH 25, DF 11, DAF 11 und DL 11 ausgestattete Koffersuper hieß Camping. Für das Modelljahr 1949 waren Geräte mit den neuen (zunächst amerikanischen) Batterieröhren geplant, deren Beschaffung aber noch Schwierigkeiten bereitete.

 

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In der „Funkschau“ Heft 17/1949 suchte Akkord nach Röhren für seine Geräte.

 

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Schon im Gründungsjahr der Gerätebau A. Jäger & Söhne OHG kam ihr erstes Koffermodell Camping in das vom Technisch Literarischen Institut Radevormwald herausgegebene Handbuch für das Rundfunkjahr 1948/49.

Jäger hatte noch Probleme mit der Röhrenbeschaffung, zu den Stahlröhren DF 11, DAF 11 und DL 11 gesellte sich eine DCH 25. Lang- und Kurzwellen empfing der „Camping“; und natürlich die Mittelwelle, welche auf 182 m erweitert worden war.  

 

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Den Fünfkreis Koffersuper Typ Offenbach bestückte Akkord 1950 mit den Batterieröhren DK 91, DF 91, DAF 91, DL 92 und UY 41. Die Innenaufnahme wurde einem Inserat aus der „Funk-Technik“, Heft 14/1950 entnommen.

 

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Das kleinere Gerät im Bild rechts ist der Offenbach 51 (1951) in Standard Ausführung für Batteriebetrieb und Allstrom Netzanschluss. Rechts dahinter steht das Modell U 55 (1955) in echt Leder (Kroko­ Prägung). UKW, Mittel­ und Langwellen konnten mit diesem Gerät empfangen werden. Über einen Zerhacker war auch der Anschluss an 12 Volt Auto­ Akkus möglich.

Als dann die Röhrengeneration der neuen D­90er­ Serie auf den Markt kam, wurden Jäger & Söhne schon 1950 mit ihren „Offenbach“ ­Typen recht erfolgreich. Es gab sie in Standard­- und Luxusausführung. Bei den Gehäuseüberzügen aus echtem Leder standen sicher die weltbekannten Offenbacher Lederwaren Pate. Das Luxusmodell – die „Funk-Technik“ nannte es in ihrem Heft 10/1950 die „tönende Umhängetasche“ – war besonders bei den Damen beliebt. Manch anderer Neuling (z.B. Scheller, Schmidt-Corten, Lekies) versuchte in der Nachkriegszeit, mit Kofferradios ins Geschäft zu kommen – erfolgreich aber wurde nur die Firma Jäger & Söhne mit ihren Akkord Empfängern. Ihr Aufstieg war vergleichbar mit dem von Max Egon Becker, dem dasselbe mit seinen Autoradios gelang.

Akkord belegte in der Sparte „Kofferradio“ einen Spitzenplatz und war über die 50er ­Jahre hinaus erfolgreich. 1954, nach dem Tod August Jägers, wurde die Firma in eine GmbH umgewandelt, die Söhne Hans und Karl Jäger wurden Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens. Um diese Zeit entstanden die schönsten Akkord Radios – nicht zuletzt die schicke „Lady“ Handtasche.

 

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Besonders beliebt waren die Akkord Koffer von 1954/55 in Echt-Leder. Die Lady (der Fünfkreis Mittelwellensuper links) galt 1954 als besonders schick. Fotografiert wurde das Gerät im Radiomuseum Hans Necker, Bad Laasphe.

 

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Das Geschäft blühte weiterhin – die Jäger-Söhne arbeiteten kreativ und fortschrittlich. Weil Werkserweiterungen in Offenbach nicht möglich waren, übersiedelte das Unternehmen 1955 nach Herxheim – in die Pfalz.

1953 war der „Schlangenleder­ Koffer“ zum Hit geworden, und auch das 1958 neu erschienene Modell Pinguin M 58 zählte noch zu den Favoriten.

1958 sorgte das Unternehmen mit dem Spitzenmodell Trifels für Aufsehen – auch mit dem Preis desselben. Schon 1954 hatte die Krefft AG den Pascha mit einem DEAC-Sammler auf den Markt gebracht – der wurde damals noch mit dem mechanischen Zerhacker bestückt. Jetzt aber war der elektronische Wandler verfügbar, womit der Trifels auch als Kofferradio sparsamer arbeitete. Besser eignete er sich für den Betrieb im Auto, wo die DEAC Zelle automatisch nachgeladen wurde.

 

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Gegenüber dem abgebildeten U 55 wurde dieses noch immer mit Röhren bestückte Modell Pinguin M 58  technisch abgemagert. Dafür aber war es fast halb so teuer: Es kostete 178 DM anstatt 329 DM. Der Kleine im Vordergrund ist ein Autotransistor, Baujahr 1960. Er war als Koffer­ oder Autoempfänger zu verwenden und konnte im Auto mit einem Zusatzverstärker betrieben werden.

 

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Man konnte ihn auch als Kofferradio auf eine Wanderung mitnehmen, aber da gab es leichtere als den 5,3 kg schweren Trifels. Im Auto spielte dieses Gewicht keine Rolle.

Das „Non plus Ultra“ war dieser Hochleistungsempfänger – nicht nur unter den neun Akkord Modellen, welche 1958/59 im Radiokatalog standen. Mit seinem Preis von DM 529.- (zuzüglich Autohalterung = ca. 570.- DM) übertraf er 1958 sämtliche andere Geräte dieser Bauart – haushoch. Mit fünf Röhren, fünf Germaniumdioden und sechs Transistoren empfängt er UKW, Kurz-, Mittel- und Langwellen. Die Ausgangsleistung beträgt stolze zwei Watt (kleinere Modelle hatten höchstens 0,5 Watt). Eine Anodenbatterie benötigt der Trifels nicht, weil er doch mit dem eingebauten Gleichspannungswandler arbeitet. Natürlich ist er sowohl für Akku- als auch für den Netzbetrieb geeignet. In ein Metallgehäuse eingebaut, wiegt das Gerät 5,3 kg. Im Folgejahr kostete die ebenso schwere Typ Trifels 59 noch 514.- DM. Die Reiseempfänger anderer Fabrikate endeten in der Preisklasse bis 350.- DM.

 

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Als die D-Röhren schließlich 1960 aus den letzten Transportablen verbannt worden waren, produzierten die Jäger ­Söhne – auch nach der 1967/68 erfolgten Auflösung der Offenbacher Fabrik – in ihrem pfälzischen Werk Landau noch viele Transistor-Modelle.

 

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Gegen Mitte der Sechziger war die Belegschaft auf ca. 1600 Mitarbeiter angewachsen, und zeitweise wurden täglich bis zu 1500 Geräte gefertigt. In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehntes jedoch war der Höhepunkt überschritten, was wohl die Herren Jäger veranlasste, sich nach einem potenten Käufer umzusehen.

 

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1962 begann das Akkord Lieferprogramm mit dem Modell Filou zum Preis von 198.- DM. Es war natürlich voll transistorisiert und empfing entweder die Wellenbereiche: UKW, Mittel und Lang, oder UKW, Kurz und Mittel. Das teuerste Akkord Gerät dieser Saison war der Pinguin U 62 de Luxe – der kostete 326.- DM.

1968/69 veräußerte zunächst der eine, dann der andere Bruder seine Anteile an den Bosch Konzern. Der war am Fertigungszweig „Elektronische Fakturierautomaten“ interessiert, nahm jedoch von der Fortführung dieser Produktion Abstand, nachdem entsprechende Vereinbarungen mit Siemens getroffen worden waren. Die Bosch Tochter fertigte in der neuen Firma „Akkord Elektronik GmbH“ im Werk Landau u.a. hochwertige Blaupunkt Heimempfänger.

 

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Notiz  aus der „Funkschau“, Heft 1/1969.  Hans Jäger war einer der Söhne des Firmengründers.

 

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Das Akkord Emblem Ende der Sechziger Jahre.

 

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Ein Gerät, das auf den ersten Blick nicht ins Fertigungsprogramm einer Kofferradiofabrik passen will – es handelt sich aber nur um eine flach gebaute Version des combiphon Kofferempfängers mit Tonbandgerät, wie er im Radiokatalog 1968/69 abgebildet ist.

„Universell“ – schreibt Akkord in seinem Inserat in der „Funkschau“ im Heft 10/1969 – „er bringt ein komplettes Radioprogramm auf UKW, Kurz-, Mittel- und Langwelle. Liefert Musik vom laufenden Cassetten-Tonband. Steht für Mikrofon Aufnahmen jeder Art zur Verfügung. Nimmt Diktate auf. Dient bei Partys als Alleinunterhalter und kann noch einiges mehr!

 

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Teil eines Inserates aus der „Funkschau“, Heft 7/1966. Kofferradios mit Sendersuchlauf gab es nur 1966 – von Akkord, Philips und Siemens.

Notiz aus der „Funkschau“, Heft 7/1971: Aus Akkord Radio wurde Akkord Elektronik.

 

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Akkord hatte auch in den Sechzigern stets Kofferradios im Programm, die sowohl unterwegs – mit eingebauten Batterien – zu betreiben waren, als auch in Fahrzeugen – mit der Autobatterie. Das Modell Motorette 211 von 1968/69 (im Bild hinten) war ein solches Gerät für den Empfang von UKW, Mittel- und Kurzwellen (49 m-Band), das gleiche als Type 210 empfing UKW, Mittel- und Langwellen. In der stillen Landschaft genügte 1 Watt Ausgangsleistung (zur Schonung der Batterien), beim Betrieb im lauten Auto erfolgte automatisch die Umschaltung auf 4 Watt.

Vorn im Bild steht der kleine Autotransistor de Luxe 130 welchen man in den Katalogen 1969/70 und 1970/71 unter der Rubrik „Koffer- und Taschenempfänger“ vergeblich sucht. Dort findet man nur die (als Koffer- und Autoempfänger konzipierte) Motorette 210/211 – den de Luxe 130 aber, welcher mit sechs 1,5-Volt Batterien doch ebenso als „Koffer- und Taschenempfänger“ verwendbar war, hat man den Autoempfängern zugeordnet. Das nur 17 x 13 x 4,3 cm große Gerät war der letzte Autotransistor dieser Baureihe – und damit auch der letzte mit dem Markennamen „Akkord“. 

 

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Notiz aus der „Funkschau“, Heft 7/1971

 

Das ehemalige Akkord Werk Herxheim wurde 1972 von der Firma Wega genützt. Dieses Fellbacher Unternehmen gründete eigens die Tochtergesellschaft „Wega HiFi­ GmbH“, die dort – wie der Name sagt – bis etwa 1979 HiFi­ Geräte und Lautsprecher produzierte. Unter den Sammlern, welche sich auf die so genannte „Henkelware“ spezialisiert haben, bilden Akkord­ Fabrikate einen Schwerpunkt. Modelle mit Schiebetürchen dürfen ebenso wenig fehlen, wie solche mit Kroko­ oder Schlangenleder ­Imitaten. Die Type de Luxe 130  aus dem Jahr 1969 bildet das würdige Schlusslicht der Akkord Sammlung.

 

 

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