10.2 Die Abkapselung erfolgte schon vor der Gründung der DDR

Während die drei Westzonen (zunächst als „Bi-Zone“, dann als „Tri-Zone“) wieder zu einem Wirtschaftsraum zusammenwuchsen, geriet die sowjetisch besetzte Zone, bzw. die im Oktober 1949 gegründete „Deutsche Demokratische Republik“ ins Abseits. Der Interzonen Warenverkehr – auch in Berlin – war vollends zum Erliegen gekommen. Die Abschottung von der westlichen Welt wurde nun auch in der DDR Führungsebene bedauert. 1950 konnten – obwohl es doch in der Ostzone mehrere Röhrenwerke gab – die Radiofabriken nicht ausreichend mit den von ihnen benötigten Typen beliefert werden. So verkauften z. B. die Sachsenwerke den Olympia 503 W (siehe Kap. 11.51) ohne Röhren, in der Annahme, dass sich clevere Bürger den erforderlichen E-Röhrensatz aus dem Westen zu beschaffen wussten. Und wem dies nicht gelang, der konnte mit etwas Glück schließlich über den Handel irgendeine der Ersatzbestückungen mit den weniger gefragten Oktalröhren des Oberspreewerks erwerben.

Schlimmer noch als solche Engpässe wirkte sich der Umstand aus, dass die Ostregion von der aus Amerika kommenden Röhrenentwicklung abgekoppelt war. Als Nachteil wurde dies in gewissen Kreisen nicht gesehen – im Gegenteil – man wollte die Unabhängigkeit vom Westen. Also begannen die Erfurter 1951 mit der Entwicklung eigenständiger Typen, den „Gnom-Röhren“. Dieser „vaterländische“ Alleingang geriet, wie im Abschnitt 11.22 nachzulesen ist, zum Fiasko. Als dann schließlich doch die international üblichen Serien aufgelegt wurden, waren wertvolle Jahre verloren gegangen.

Auch bei der Einführung des UKW Funks hinkte der Osten dem Westen um zwei Jahre hinterher. UKW allerdings war anfangs in der DDR nicht vordringlich. Zwar billigten die Teilnehmer der Kopenhagener Wellenkonferenz von 1948 auch der sowjetisch besetzten Zone nur je eine Frequenz im Mittelwellen- und Grenzwellenbereich zu, aber Russland konnte der Ostzone eine ihr zugesprochene Langwellenfrequenz „leihen“, was auch mit dem Hintergedanken geschah, über den „Deutschlandsender“ die westdeutschen Hörer anzusprechen. Andererseits – die Radios sollten ja auch exportiert werden, und nicht zuletzt deshalb wurden (nachdem schon 1950 mit Versuchssendungen begonnen worden war) 1953 die ersten UKW Sender in Berlin und Leipzig installiert (auch Leipzig sendete das Berliner Programm), um die mit UKW Empfangsteilen ausgerüsteten DDR Radios auf Messen vorführen zu können. Erst mit der Einführung weiterer Programme jedoch entstand nach und nach ein flächendeckendes UKW Sendernetz.

Wäre die Ostzone nicht abgeschottet worden, und hätte man kreativen Kräften Chancen eingeräumt, dann hätten die dortigen Betriebe im Bereich der Rundfunktechnik wieder eine Spitzenstellung einnehmen können. Kamen doch schon in den Dreißigern hochwertige Radios aus ost- bzw. mitteldeutschen Landen – aus Dresden, Leipzig, Niedersedlitz und Staßfurt – man denke nur an den Körting Transmare. Rechnet man den Ostsektor der viergeteilten „Reichshauptstadt“ und die im Krieg aus Berlin verlagerten Betriebsstätten hinzu, dann ist unschwer zu erkennen, dass nach der „Teilung“ die bekannten Markenfirmen, welche mit ihren bewährten Vorkriegsprodukten über Deutschland hinaus einen guten Ruf hatten, in der SBZ, bzw. (ab Okt. 1949) in der DDR überproportional konzentriert waren. Und der Aufbauwillen war im Osten genau so vorhanden wie im Westen – Fachkräfte gab es hier noch mehr.

Da war doch zum Beispiel der hervorragende Körting Entwicklungsingenieur Rudolf Sittner. Warum wohl ging er, nachdem er sich noch in den Vierzigern selbständig gemacht hatte, 1950 in den Westen, um dort im neuen Körting Werk am Chiemsee bei seinem früheren Chef Oswald Ritter die Leitung der Entwicklung zu übernehmen? Erich Welker, sein Firmennachfolger fertigte in Borna/Sachsen weiterhin Detektorapparate, Sperrkreise usw., kam aber auch auf keinen grünen Zweig. 

Bei Mende war‘s nicht anders – der Dresdener Diplomphysiker Herbert Mrosek übernahm im neuen Werk Bremen die Entwicklungsleitung – später den Posten des techn. Direktors im Körting Werk Grassau. Auch der Ingenieur Fritz Trömel „machte rüber“ – auch er wurde im NordMende Werk Entwicklungsleiter. Neben systemkritischen spielten auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle.

Der Staßfurter Entwicklungsfachmann Heinz Tychsen zählte zu den ersten, die der Ostzone der Rücken kehrten. Schon 1945 schuf er die Voraussetzungen für eine Produktion in dem geplanten Continental Werk Osterrode, wo dann 1946 – zunächst in einer Werkstatt – die Lautsprecher- und Radiofertigung begann. Überall waren die alten Inhaber entmachtet worden – die Führungskräfte hatten nichts mehr zu sagen – die angestrebte „Planwirtschaft“ beschränkte ihre Handlungsfreiheit und lähmte die Eigeninitiative.

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