10.8 Die Dokumentation ist mühevoll

Über zahlreiche der im Kapitel 11 aufgelisteten Firmen konnten Informationen gesammelt werden, über manche ist nichts mehr zu finden. Die in der ehemaligen DDR ansässigen Radiosammler und Historiker geben sich viel Mühe, aber die Zeit arbeitet gegen sie – viele der damaligen Kleinbetriebe sind heute vergessen – niemand kennt sie mehr.

Zwar wurde schon Anfang der Achtziger in Form einer Interessengemeinschaft „Geschichte der Rundfunktechnik“ – unter dem Dach des technischen Museums Dresden – ein Zusammenschluss der ostdeutschen Radiohistoriker und -Sammler organisiert bzw. geduldet; die Sicherheitsorgane waren aber hellhörig geworden, weil sich deren Mitglieder auch intensiv für das Geschehen in den erloschenen bzw. (teils mit staatl. Beteiligung) noch existierenden Privatbetrieben oder in den verstaatlichten Radiofirmen interessiert hatten.

Man übte sich daher in Zurückhaltung und beschränkte sich aufs Historische. Erst nach der „Wende“ wurde es möglich, gefahrlos nach Daten und Fakten zu forschen, um diesen gut vierzigjährigen Zeitabschnitt der Trennung aufzuarbeiten. Es ist ein steiniger Weg, viele Jahre danach liegt noch manches im Verborgenen. Radiokataloge, wie sie in der Zeit von 1950 bis zum Ende der Siebziger im Westen jährlich erschienen, gab es (außer den Branchen- bzw. Bestellkatalogen des vorwiegend für „HO-Geschäfte“ fungierenden „Zentralen Warenkontors ZWK“) in der DDR nicht, und auch die Radiowerke sparten (im Inland) mit Produktinformationen.

Fakten über Firmengründungen, Umwandlungen in VEB‘s und deren Entwicklungen konnten nur in mühevoller Kleinarbeit gefunden werden; auch einzelne Veröffentlichungen in der Fachzeitschrift „Radio und Fernsehen“ geben nicht viel her. Der „Westdeutsche“ (Wessi) musste sich zunächst ein Urteil bilden – musste ausloten und abwägen, wie sachlich und neutral die Berichte darin sind. Die gewonnene Erkenntnis: Die Redakteure blickten durchaus über den Tellerrand. Sie berichteten über die neuesten Entwicklungen in Westdeutschland und der ganzen Welt und beschönigten auch nicht Missstände im eigenen Lande. Nur „heiße Eisen“ durfte man natürlich nicht anfassen; was sich oft in den kleinen „Privatbetrieben“ abspielte, das war tabu. Und wenn dann einmal über einen „halbstaatlichen“ Privatbetrieb berichtet wurde („radio und fernsehen“, Heft 15/1959), dann lautete der Schlusssatz: Das Beispiel REMA „beweist, daß in der DDR auch der tüchtige Unternehmer eine geschäftliche und auch persönliche Perspektive besitzt, um die ihn mancher seiner Geschäftsfreunde in Westdeutschland beneiden kann“. (1972 erfolgte die Umwandlung des „Privatbetriebes mit 40 % Staatsbeteiligung“ in einen VEB).

Hin und wieder musste auch mal politisch gegen den Westen geschossen werden, wie zum Beispiel im „ r + f “ - Heft 3/1959. Da liest der erstaunte „Wessi“ unter dem Titel „Presse- und Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik – ein Hohn“: „Angesichts der Bonner Terrorjustiz gegenüber freiheitlich gesinnten Journalisten und anderen Bürgern muß es auf diese wie auch auf die sogenannte Opposition, die SPD, wie ein Hohn wirken, wenn Bundesinnenminister Schröder auf der Jahrestagung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger erklärte, daß in der Bundesrepublik Presse- und Meinungsfreiheit rückhaltlos und uneingeschränkt nicht nur durch das Grundgesetz gewährleistet sind, sondern auch in der sogenannten Verfassungswirklichkeit, d. h. tatsächlich bestehen“. „Laufen nicht gerade die zur ‚Reformierung‘ des westdeutschen Rundfunks eingeleiteten Maßnahmen (sowie auch zahlreiche andere) darauf hinaus, die gleiche Knebelung wie im faschistischen Staat wieder herbeizuführen?“. So hart also wurde der missglückte Versuch Adenauers beurteilt, im Fernsehen mitzumischen – schade für den vergeudeten Platz. Ansonsten nämlich war die „ r + f “ inhaltlich objektiv, was ihr vereinzelt Schelte einbrachte.

Weniger interessieren aus heutiger Sicht auch die vielen Bauanleitungen für Empfänger, Verstärker, Tonband-, Mess- und Prüfgeräte, schon eher Beschreibungen und Begutachtungen über neu erschienene Radiogeräte. Selten sind r + f - Firmenberichte, und Inserate von Rundfunkfabriken findet man so gut wie gar nicht. In den drei Jahrgängen von 1959 bis 62 inserierte ein einziges Mal die Firma Rema.

Der Radiohistoriker hat’s nicht leicht, er ist dankbar für jeden Messebericht, freut sich über den bereits erwähnten „REMA“-Aufsatz im Heft 15/1959, auch über die Funkwerk Erfurt- und Stern-Radio Rochlitz-Berichte (Heft 19). Und sogar über eine, der Staatspropaganda dienende Firmenchronik. Da wurde zum Beispiel im Auftrag der Betriebsparteiorganisation des VEB Stern-Radio Sonneberg aus Anlass des 35. Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik ein „Beitrag zur Geschichte des VEB Stern-Radio Sonneberg“ herausgegeben. Natürlich überfrachtet mit sozialistischem Gedankengut („Radiowerker auf Parteitagskurs“ usw.), sind daraus auch firmengeschichtliche Daten zu entnehmen, die dem Historiker weiterhelfen. Von einer Reihe anderer Betriebe wurden nach dem gleichen Muster entsprechende Betriebschroniken erarbeitet.

Wenn auch nicht alle kleinen Radiohersteller dokumentiert sind (das betrifft Ost und West gleichermaßen), so ist es in kooperativer Zusammenarbeit doch gelungen, die Kurzgeschichten der meisten mehr und auch weniger bekannten ehemaligen DDR-Radioproduzenten zu Papier zu bringen.

 

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