1.7 Zum Radiofieber kam das Bastelfieber – die Audion­ Versuchserlaubnis

Die „Gesetzestreuen“ durften aufatmen. Unter dem Druck der Tatsache, dass schon mit unzähligen selbstgebastelten Empfangsanlagen gehört wurde, reiften im Reichspostministerium Überlegungen, die Selbstherstellung dann zu erlauben, wenn ein Befähigungsnachweis erbracht wird.

 

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„Audion­ Versuchserlaubnis“ hieß das begehrte Papier und es wurde an Kursteilnehmer der Funkvereine ausgehändigt, wenn sie die Abschlußprüfung bestanden hatten. Großzügig musste sich das RPM zeigen, wollte es einer Strafverfolgungslawine vorbeugen und so fielen die bisherigen Schwarzbastler unter eine Amnestie. Ja, sie erhielten sogar gleich die Audion­ Versuchserlaubnis mit der Maßgabe, den Befähigungsnachweis alsbald nachzureichen.

Auch eine Detektor­ Versuchserlaubis sollte es geben, war doch dem Detektor­ Bastler der Empfang von Wellen außerhalb des erlaubten Bereiches (200–700 m) möglich – konnte er also mit dem Selbstgebastelten (die Wellenlänge betreffend) mehr empfangen, als mit jedem gekauften Apparat.

 

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Weil es aber für die Detektor­ Versuchserlaubnis keine Prüfungsbedingungen gab, mussten solch unausgegorene Überlegungen wieder verworfen werden, und so durfte jeder seinen Detektor selbst bauen, wenn er die Rundfunk­Teilnehmergebühr bezahlt hatte. Aber die war mit 60 Mark pro Jahr viel zu hoch (für geringe Teilnehmerzahlen berechnet), und so wurde ab April 1924 auch gleich eine neue Gebühr festgesetzt, nämlich zwei Mark pro Monat.

Nun wurden die Schwarzhörer zur Minderheit und das Bastelfieber begann sich weiter auszubreiten. Die Detektor­ Freunde lernten zu unterscheiden zwischen der Schiebespulen­, Vario-meter­ oder Kondensatorabstimmung und mussten schließlich erkennen, dass alle noch so gepriesenen Schaltungen wenig Erfolg brachten, wenn der Sender zu weit, oder die Antenne nicht hoch und lang genug war. Anfang 1924 durfte sie maximal 50 m lang sein; später wurden Antennenlängen bis 100 m erlaubt. Nicht wenige machten Gebrauch davon. Die vielen kreuz­ und quergespannten Drahtgebilde mit ihren Eier­ Isolatoren verunzierten die Landschaft nicht weniger, als heute die „Schüsseln“.

 

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Der Kursteilnehmer musste z.B. die Bedeutung von Farad, Mikrofarad und „cm“ erlernen

Für alle Gerätearten gab es Bauempfehlungen; der unerfahrene Radiofreund machte seine ersten Versuche mit dem Detektorapparat.

 

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Die anspruchsvollen Funkbastler hatten natürlich nur das Röhrenradio im Auge. Auch sie mussten ihre Erfahrungen machen. Man glaubte, dass der Empfang immer besser werden müsste, je mehr Einzelteile und Röhren ins Gerät eingebaut würden.

Neben dem Geradeaus ­Empfänger begann man sich für das Überlagerungssystem zu interessieren, mit dem Edwin H. Armstrong in Amerika für Aufsehen gesorgt hatte.

Schaltungen für Superheterodyne, auch Ultradyne, Tropadyne, Negadyne, Autodyne und wie sie alle hießen, wurden da empfohlen; doch die Empfangsergebnisse entsprachen nicht immer dem, was sich die Amateure von ihren wunderschön aufgebauten, bis zu 1 m langen Sieben­ bis Zehn­ Röhren ­Ungetümen versprochen hatten.

Der besonnene Bastler aber blieb – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – auf festem Boden. Er beließ es in der Regel beim Zwei­ oder Dreikreis ­Geradeausempfänger mit vier, maximal fünf Röhren.

 

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Und auch mit dem Zwei­ oder Drei­ Röhren ­Einkreisgerät konnte man jetzt schon gute Empfangsergebnisse erzielen, weil es mit unbegrenzt einstellbarer Rückkopplung ausgestattet werden durfte. Beim käuflichen, RTV ­gestempelten Empfänger war sie wenig wirksam – sie durfte nicht bis zum Schwingeinsatz geregelt werden – nur der geprüfte Amateur hatte das Privileg.
Indes – für die „Normalverbraucher“ unter den Amateuren waren die Wissensanforderungen seitens der Funkvereins ­Oberen einfach zu hoch gesteckt. Da sollten wissenschaftliche Grundlagen erlernt und nachgerechnet werden, die mit dem Aufbau und Verständnis eines Empfangsgerätes nur noch im weitesten Sinne zu tun hatten.

So sägten die Initiatoren der Vereine selbst an ihren ohnehin schwachen Stuhlbeinen. Auch zurückgeschraubte Anforderungen nützten nichts mehr: Im September 1925 wurde das Selbstbasteln ohne Kursteilnahme und Prüfung generell freigegeben. An die Begrenzung des zum Empfang erlaubten Wellenbereichs hatten sich die Amateure schon zuvor nicht gehalten und so entfiel auch (vorübergehend) diese gesetzliche Vorschrift – das „Empfangen“ wurde so frei wie in Amerika.

 

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Notiz aus: „Funk“, Februar 1925

 

Den Radio Produzenten war’s recht, durften sie doch endlich mit Wech-selspulen arbeiten bzw. Geräte für alle Wellenbereiche anbieten. Langwellen wurden jetzt für den Rundfunk freigegeben und nicht wenige Amateure interessierten sich für den Kurzwellenempfang.

 

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Radio Amateure, welche sich große Geräte, z.B. Superheterodyne Empfänger bauen wollten, konnten in einem Funkverein oder Radio Bastel Club wertvolle Anregungen bekommen. Hier wurde ihnen der Unterschied zwischen dem Geradeaus.- und einem Überlagerungsempfänger erklärt.

Die Hersteller von Bauteilen ergänzten ihr Angebot durch Kurzwellen Spulen bzw. spezielle KW Drehkondensatoren und der Einzelteile­ Umsatz stieg weiter.

Nur die Funkvereine hatten Tränen in den Augen. Wie schön waren doch die Zeiten, als man noch genüsslich auf die schwitzenden Prüfungsteilnehmer herabblicken durfte...

Mancher Fahrschüler würde sich heute wünschen, dass doch den Führerschein ein ähnliches Schicksal ereilen möge, wie damals das Audion Versuchserlaubnis Dokument.

 

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Notiz aus der Zeitschrift „Radio“ vom 10. Oktober 1925.

 

Zu den Erleichterungen zählte nicht nur die Erlaubnis zum Selbstbau von Radios (ohne „Audion Versuchserlaubnis“), auch die Stempelungspflicht von Geräten und Röhren war entfallen.

 

 

 

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